Für Sie zusammengefasst:

„Die Kunst, unserer Sehnsucht zu folgen“ von Michael Bordt SJ

Spiritualität in Zeiten des Umbruchs

Michael Bordt ist Jesuit und Professor an der Hochschule für Philosophie in München; er gibt Seminare für Führungskräfte und beschreibt dies wie folgt:

„Am Institut für Philosophie und Leadership der Hochschule für Philosophie München beschäftigen wir uns in Forschung und Lehre mit Fragen von Leadership und Führungsethos. Daneben bieten wir intensive Beratung, Begleitung und Fortbildung von Führungskräften in Spitzenpositionen an. Wir sind für den Vorstand und die Bereichsleiter internationaler Konzerne wie die BMW Group oder Wacker Chemie ebenso tätig wie in der Begleitung von Familienunternehmen in Fragen der Nachfolge.“

Zusammenfassung seines Buches

  1. Gründe für die Hinwendung zur Spiritualität in unserer Zeit sind
    • rasanter gesellschaftlicher Umbruch
    • zunehmende Globalisierung und Digitalisierung
    • Migration und Klimawandel

Diese Einflüsse verändern unser Leben nachhaltig. Es müssen Lösungen gefunden werden, um den neuen Herausforderungen zu begegnen. Der Wunsch wächst nach einem inneren Halt und einer Stärke, die uns Menschen unabhängiger macht von den äußeren Umständen. Umfragen zufolge gibt ein Drittel der deutschen Bevölkerung an, mindestens einmal pro Woche zu meditieren oder vergleichbare Übungen zu machen.

  1. Die Sehnsucht als Führerin zu den eigenen spirituellen Quellen
    • Schon der griechische Philosoph Platon hat veranschaulicht, dass wir Menschen einen grundsätzlichen Mangel haben: Im Ursprung war der Mensch zunächst eine Einheit. Im weiteren Verlauf seiner geistigen vorgeburtlichen Existenz wurde er jedoch in zwei Hälften geteilt. (Man denke auch an Schöpfungsgeschichte der Bibel von Adam und Eva. Auch dort bildete der Mensch Adam zunächst eine Einheit. Dann wurde die Eva aus einer Seite entnommen, und es entstand eine Zweiheit)
    • Dadurch sind wir in der Tiefe unseres Wesens verletzt und verwundet und auf der unruhigen Suche nach Heilung dieser Wunde. Das sexuelle Verlangen, die geschlechtliche Vereinigung und die Liebe sind Ausdruck die Einheit wiederzuerlangen zu wollen. Von der Spiritualität erhofft sich der Mensch sich darüber hinaus, dass sie ihn dem Ziel der inneren Sehnsucht näherbringt.
  1. Hindernisse auf dem Weg unserer Sehnsucht zu folgen
    • In unserer Leistungsgesellschaft wird es uns schwer gemacht zuzugeben, dass uns etwas Existenzielles fehlt. Wir müssen störungsfrei funktionieren bei der Arbeit und im Alltag. Man lässt nicht zu, dass einem etwas schmerzt oder einem etwas fehlt. Eingefangen im Hamsterrad hat man das perfekte Mittel sich selbst nicht mehr zu spüren. Die Ausrede zu viel zu tun zu haben, hält einen davon ab in die Ruhe zu kommen und sich mit seinen inneren Bedürfnissen auseinanderzusetzen.
    • Die Gesellschaft verändert sich nicht mehr ruhig und beständig, sondern rasant und drängend. Man muss mittlerweile von Umbrüchen reden. Zeiten des Umbruchs sind auch Zeiten der gesellschaftlichen Polarisierung. Durch die komplexen Zusammenhänge einer im Umbruch befindlichen Gesellschaft, wird das Verständnis zur Klärung der anstehenden Fragen immer schwieriger. Oft wird der einfache Weg gewählt, indem man moralisiert und die Welt in die Guten und Schlechten einteilt.
    • Die genaue differenzierte Wahrnehmung, Sensibilität, Empathie, Zuhören und Verstehen wollen anderer Menschen geht zunehmend verloren. In gleichem Maße fällt es uns immer schwerer, uns selbst wertfrei und fein wahrzunehmen. Damit schneiden wir uns aber unsere innerste Sehnsucht ab, denn diese entzieht sich jeglicher Bewertung und Polarität. Wenn wir aber unserer eigenen Sehnsucht nicht mehr nachgehen können, weil wir keinen Zugang mehr zu ihr haben, dann hat das die fatale Folge, dass spirituelle Suche nicht von innen getragen und getrieben wird. So verkommt Spiritualität bestenfalls zum Lifestyle.
  1. Spiritualität versus Religion
    • Die vier Säulen der Religion
      • Institution: institutionell gebildete Religionsgemeinschaften
      • Lehrmeinungen, Dogmen und moralische Vorschriften
      • Gottesdienst, Liturgie, Gebet
      • Spiritualität: Erfahrung des Göttlichen
      Ohne Spiritualität verkommen Religionen zu starren Systemen die auf Einfluss und Machterhalt aus sind.
    • Hauptmerkmale der Spiritualität
      • Die Sehnsucht Antworten zu finden auf die Grundfragen des Lebens:
          Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was soll das alles hier auf der Erde?
          Die Antworten darauf erhält der spirituell interessierte Sucher nicht nur in Büchern, sondern vornehmlich in Erfahrungen die er macht.
    • Es geht in erster Linie um Sehnsucht nach Erleben durch eine Praxis, die in allen Religionen große Ähnlichkeiten aufweisen:
      Körperübung
      Imagination
      Meditation
      Wahrnehmung des Atmens
      Kontemplation
      All diese Erfahrungswege bringen den Übenden dem Ziel seiner Sehnsucht immer näher.
  1. Die eigene spirituelle Identität finden
    • In der Spiritualität geht es um die Erfahrung des Urgrundes, den wir nicht außerhalb von uns suchen müssen, sondern der in uns schon vorhanden ist. Alle Religionen sind sich einig, dass in unserem tiefsten Inneren ein Ort existiert wo wir Gott oder die letzte Realität erfahren können.
      • In der christlichen Mystik spricht man vom Geist- oder Seelenfunken Gottes
      • Im Buddhismus vom Buddhakeim, dem Keim Gottes
      • Im Hinduismus vom Atman: der Atem Gottes in unserem Leben
    • Es geht in der spirituellen Praxis darum, diesen Keim, Funken oder Atem Gottes in uns zur Entfaltung zu bringen. Gute Rahmenbedingungen sind
      • regelmäßige Übung
      • alltägliche bewusste und achtsame Lebensführung
    • Diese Entwicklung kann nicht forciert werden. Es geht letztlich darum unserer tiefen spirituellen Identität Zeit und Raum zu geben, sich in uns zu entfalten, sodass wir immer umfassender aus ihr heraus leben.
  1. Früchte beim Finden der eigenen spirituellen Identität
      Die Entfaltung der spirituellen Identität
      führt
    • zu einem immer umfassenderen Glück und Liebe
      Wir lernen auch in schwierigen Umständen – wie den gesellschaftlichen Umbrüchen oder persönlichen Schicksalsschlägen – gelassener zu reagieren, und das Kreuz unseres Lebens anzunehmen. Menschen, die uns das Leben schwer machen, können wir leichter stehen lassen. Unsere Liebe dehnt sich aus auf Menschen, die uns natürlicherweise nicht unbedingt sympathisch sind.
    • zur Erfahrung unserer inneren Heimat
      Dadurch werden wir unempfänglicher gegenüber der Werbe- Und Marketingindustrie
    • Relativierung vieler scheinbar attraktiven Ziele in unserem Leben: die Aufmerksamkeit und Anerkennung von anderen wegen unseres Erfolges oder unseres Vermögens
    • zu einem größeren Verständnis und Sichtweise zu unseren Mitmenschen

 

Fazit:

Die Erfahrung der eigenen spirituellen Heimat aufgrund eines gewählten und praktizierten Weges bedeutet, dass der Mensch seiner in ihm angelegten Sehnsucht erfolgreich gefolgt ist. Der Mensch wird dadurch wieder mit seinem Urgrund verbunden. Aus dieser Verbundenheit kann sich der Geist- oder Seelenfunke immer weiter entfalten, so dass schließlich im weiteren Verlauf die gesamte Persönlichkeit gewandelt werden kann. Diese innere Wandlung macht den Menschen stabil gegenüber dem Wandel bzw. den Umbrüchen in unserer schnelllebigen Welt. Er kann gelassener auf Veränderungen in der Gesellschaft und Konflikten im Zusammenleben mit Menschen reagieren, weil er der stärksten Kraft im Universum Zeit und Raum zur Entfaltung gegeben hat: der LIEBE.